Nur noch für Beamte interessant: Interessenvertreter wehren sich mit Händen und Füßen gegen eine Bürgerversicherung

Besserverdienende Arbeitnehmer, deren beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, am Ende dieses Jahres (2017) 57.600 Euro überschreitet und auch im kommenden Jahr (2018) über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt, müssen wegen ihres künftigen Krankenversicherungsschutzes eine Entscheidung treffen. Es bleiben nur zwei Möglichkeiten: Diese besserverdienenden Beschäftigten können sich weiter im Boot der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichern. Oder sie wählen den privaten Krankenversicherungsschutz.

Der Weg in die private Krankenversicherung (PKV) sollte von jedem Einzelnen gut überlegt werden. Die Beiträge zur PKV steigen vor allem im Rentenalter. Das führt dazu, dass die Prämien zur PKV für viele Ruheständler unbezahlbar werden. Interessant ist der Weg in die PKV nur für die, die als Single leben wollen und sich schon frühzeitig entschieden haben, nicht zu heiraten oder eine eingetragene Partnerschaft einzugehen und auch keine Kinder haben wollen. Gut ist die PKV nur noch für Beamte, weil sie einen gesetzlichen Beihilfeanspruch haben und nur zum Teil Prämien an die PKV zu entrichten haben. Dies gilt auch für Beamtenehepaare mit Kindern.

Weniger wechseln in die PKV

In die PKV treten fast nur noch Beamte ein. Für alle anderen Personen, ob Arbeitnehmer oder Selbstständige, sind die Bedingungen mittlerweile sehr unattraktiv. Von Jahr zu Jahr schrumpft die Zahl der privat Krankenversicherten. Gleichzeitig verlassen im weniger Personen die gesetzlichen Krankenkassen. Noch 2002 wechselten 362.000 Mitglieder von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung. 2011 waren es noch 232.000. 2015 wechselten nur 120.000 von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung. Noch problematischer ist für die PKV, dass seit 2012 jedes Jahr mehr Mitglieder von der privaten in die gesetzliche Versicherung gewechselt sind als umgekehrt, wenn man bedenkt, dass dieser Wechsel sehr viel schwieriger ist.

Schlechtes Image

Worin liegen die Gründe, dass viele Personen wieder in die gesetzliche Krankenversicherung zurück wollen? Seitens der PKV ist die gute Lage am Arbeitsmarkt dafür verantwortlich. So nehmen kleine Selbstständige zunehmend feste Beschäftigungsverhältnisse an. Sie wären in der Folge als Arbeitnehmer versicherungspflichtig in der GKV und haben deshalb die PKV verlassen. Aufgrund der guten Konjunktur steigt die Zahl der Arbeitnehmer, die mit ihrem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen und die in die PKV wechseln könnten. Sie machen es einfach nicht. Warum viele die PKV meiden, liegt auch am schlechten Image der Branche. In den letzten Jahren mussten die Kunden der PKV drastische Erhöhungen ihrer Beiträge in Kauf nehmen.

Zittern vor der Bürgerversicherung

Wie es mit der privaten Krankenversicherung weitergeht ist offen, wenn es nach der Bundestagswahl zu einem Regierungswechsel kommt. Sollte Martin Schulz (SPD) Bundeskanzler werden, dürfte es mit der privaten Krankenversicherung vorbei sein. Die SPD wollte schon 2013 eine Bürgerversicherung. Sie konnte sich aber in der großen Koalition nicht durchsetzen. Käme die Bürgerversicherung, ähnlich wie in Österreich, wäre das Schicksal der PKV besiegelt.

Keine Neid-Debatte

In der aktuellen Ausgabe des Mitgliedermagazins des Bayerischen Beamten Bundes spricht sich dessen Vorsitzender, Rolf Habermann, gegen die Einführung einer Bürgerversicherung aus. Er befürchtet dadurch auch Beitragserhöhungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung. „Wer hier auf kurzfristige Maßnahmen spekuliert, wird von den Folgekosten eingeholt“, so Habermann.

Unterstützung erhält Habermann auch vom innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Stephan Mayer, er bezieht sich auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Er findet, dass hier nur eine Neid-Debatte geschürt werden soll, „die für unser Gemeinwesen schädlich ist.“

Eigenartige Allianz

Ungewöhnlichen Zuspruch für die Beibehaltung der Beamten-Beihilfe und gegen die Einführung einer Bürgerversicherung erhält der Bayerische Beamten Bund auch vom Hauptgeschäftsführer der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., Bertram Bossardt, der sich in einem Artikel, der in der aktuellen Ausgabe Mitgliedermagazins veröffentlicht wurde. Er sieht in der Abschaffung der Beamten-Beihilfe höhere Belastungen für die Beitragszahler in der GKV. Bertram Bossardt: „Häufig können medizinische Leistungen im bekannten Umfang nur deshalb angeboten werden, weil Privatversicherte einen großen Teil zur Finanzierung beitragen. Milliardenschwere Einsparungen gingen damit zu Lasten aller Patienten in Deutschland.“

Mehr Einnahmen von Kassenpatienten

Die Wirklichkeit ist aber anders: Blickt man in die Einnahme-Überschuss-Rechnungen der Ärzte und Bilanzen der Kliniken und Krankenhäuser, zeigt sich ein anderes Bild, wie es von Bossardt dargestellt wird. Da kommen 4/5 der Einnahmen aus der Behandlung von Kassenpatienten und 1/5 aus der Behandlung von Privatpatienten.

Wirtschaft befürchtet Vernichtung von Arbeitsplätzen

Bossardt sieht aber auch bei privaten Krankenversicherungsunternehmen Arbeitsplätze gefährdet, wenn einen Bürgerversicherung eingeführt wird. Würde die Bürgerversicherung kommen, würden bei den privaten Krankenversicherungsunternehmen rund 50.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Irgendwie verkehrte Welt: Interessant ist, wie sich ein Arbeitgebervertreter plötzlich um die Arbeitsplätze, die verloren gehen können, Gedanken macht. Was tun sich da für Allianzen auf?

Beispiel Österreich

Blickt man in unser Nachbarland Österreich, gibt es dort nur noch ein Krankenversicherungssystem. Hier zahlen alle, also Arbeitnehmer, Selbstständige und Beamte in die gleiche Kasse. Wie in Deutschland wird das Gesundheitssystem auch in Österreich durch Beitragszahlungen finanziert. Es gibt dort, wie in Deutschland, eine paritätische Finanzierung, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich die Beiträge. Das österreichische Gesundheitssystem beruht auf solidarischen Grundsätzen. Die Beiträge richten sich dort nach dem Einkommen und sind unabhängig von Alter und Gesundheitszustand zu entrichten. Familienangehörige können wie in Deutschland in vielen Fällen beitragsfrei mitversichert werden.

Krankenkasse kann nicht frei gewählt werden

Es gibt im Vergleich zum deutschen Gesundheitssystem einige Unterschiede: Personen können die Krankenkasse, bis auf wenige Ausnahmen, nicht frei wählen. Wo man versichert wird, richtet sich nach dem Wohnort und der zugehörigen Berufsgruppe. Die Leistungen und Prämien sind bei allen Krankenkassen gleich, sodass es in diesem Bereich zu keinen Wettbewerb kommt. In Österreich gibt es keine PKV. Gesetzlich Versicherte können ihren Versicherungsschutz durch den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung selbst erweitern.

Für alle niedrigere Beiträge

Die Versicherungspflicht beginnt in Österreich ab einem beitragspflichtigen Einkommen von 415,72 Euro. Der Beitragssatz für Arbeitnehmer liegt gegenwärtig bei 7,65 Prozent. Von der Gesamtsumme bezahlt der Arbeitnehmer 3,87 Prozent, der Arbeitgeber beteiligt sich mit den restlichen 3,78 Prozent an den Kosten. Rentner und Pensionäre sind mit einem Beitragssatz von 5,1 Prozent beteiligt. Familien sind mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besser bedient, vor allem dann, wenn nur ein Elternteil arbeitet und/oder mehrere Kinder zu versichern sind. Auch für Alleinerziehende ist die GKV im Regelfall der richtige Krankenversicherungsschutz.

Fazit

Es gab einmal eine Zeit, da erzählte man sich in Deutschland Österreicher-Witze. Die Zeit ist längst vorbei. Österreich hat heute stabile Beiträge im Gesundheitssystem. Wir sollten uns an unserem Nachbarland, was die Krankenversicherung angeht, orientieren und so schnell wie möglich die Bürgerversicherung einführen.

Bild & Text: Michael Schmatz